Psychologie trifft Klimaschutz

Interview mit Hannes Breunig

01.09.2025  Hannes Breunig hat Psychologie in Innsbruck studiert und beschäftigt sich in seiner Masterarbeit intensiv mit der Klimakrise und mit der Frage, wie systemischer Wandel wirklich gelingen kann. Im Interview spricht er über persönliche Aha-Momente, die Bedeutung von Wissenschaftskommunikation und darüber, wie jede Person durch den eigenen Beruf zum Klimaschutz beitragen kann. Im Interview spricht er über persönliche Aha-Momente, die Bedeutung von Wissenschaftskommunikation und darüber, wie jede Person durch den eigenen Beruf zum Klimaschutz beitragen kann.

Hannes Breunig gibt Vortrag zu „Net Zero“ und Psychologie mit Präsentation vom KIT.

 

Hallo Hannes, in deiner Masterarbeit untersuchst du Lösungen für den Klimawandel. Dabei blickst du sowohl auf die individuelle als auch auf die strukturelle Ebene. Seit einiger Zeit wirkst du auch beim Karlsruher Transformationszentrum für Nachhaltigkeit und Kulturwandel (KAT) mit. Kannst du uns kurz einen Einblick geben, wie du die Erfahrungen deiner Masterarbeit am KAT einfließen lassen kannst?

„Im Laufe meiner Masterarbeit ‚The FOCA Model: Addressing Organizational Psychology's Oversight of Climate Change´‘ habe ich mich immer intensiver mit Klimaschutz beschäftigt und damit, wo der Wandel ansetzen kann. Schnell wurde mir klar: Das möchte ich ins Zentrum meines beruflichen Lebens stellen. Ich sehe in den Sozialwissenschaften, besonders der Psychologie, einen großen Hebel. Ich freue mich, hier am KAT als Quereinsteiger mitwirken zu dürfen, auch ohne klassischen Forschungshintergrund. Zunächst als Praktikant tätig, kann ich mich hier mit Menschen vernetzen, die ähnliche Perspektiven zum Klimawandel teilen.“

Psychologie und Klimaschutz – wie passt das zusammen?

„Vor ein paar Jahren hatte ich eine Freundin, die sehr aktivistisch unterwegs war. Wir stritten oft über Dinge wie Mülltrennung oder den Gebrauch von Plastiktüten, obwohl wir eigentlich ähnliche Werte teilten. Mich faszinierte, warum sich Einstellungen so verhärten und wie Kommunikation scheitern kann, obwohl man im Kern übereinstimmt. Die zentrale Frage, die mich beschäftigte, war: Können wir den Klimawandel wirklich bewältigen, wenn wir nur auf individuellen Konsum schauen? Ich habe dann Vorlesungen aus Politik, Soziologie, Geografie und Wirtschaft besucht und festgestellt: Jede Disziplin betrachtet das Thema aus ihrer eigenen Perspektive. Zusammenarbeit passiert selten. Gerade hier kann die Psychologie viel beitragen, auch indem sie das Verhalten der Forschenden selbst hinterfragt. Ein besonders einprägsamer Aha-Moment für mich war, als ich vom Konzept „Vom I-Frame zum S-Frame“ erfahren habe.

  • Der I-Frame fokussiert sich auf das Individuum und erwartet von Einzelpersonen, klimafreundlich zu handeln.
  • Der S-Frame hingegen betrachtet systemische Bedingungen und fragt: Welche strukturellen und kulturellen Veränderungen braucht es wirklich?

Die Verantwortung bei dem I-Frame liegt auf den Verbraucher:innen. Allerdings ist die Wirksamkeit gering, wenn man ihn nicht mit systemischen Ansätzen kombiniert. Deshalb sollte das Augenmerk mehr auf den S-Frame gelenkt werden, um langfristig Lösungen für den Klimawandel zu finden.“

Piktogramm einer Person, die Müll in eine Mülltonne wirft, Symbol für Entsorgung.

Wo kann deiner Meinung nach der Wandel ansetzen?

„Wir sollten aufhören, immer nur nach technischen Lösungen zu suchen. Stattdessen müssen wir uns stärker mit der Frage beschäftigen, warum wir vorhandene Lösungen nicht umsetzen. Das ist eine sozialwissenschaftliche Fragestellung.
Derzeit machen Sozialwissenschaften nur acht Prozent der Klimaforschung aus.

Es geht nicht darum, was uns gefällt oder was gut klingt, sondern darum, welche Maßnahmen nachweislich wirken. Besonders wichtig dabei finde ich die Wissenschaftskommunikation. Junge Menschen informieren sich oft über soziale Medien. Dort dominieren jedoch häufig Meinungen statt fundierter Fakten.
Die Wissenschaft produziert Wissen, das aber kaum kommuniziert wird. Wenn wir wirklich wollen, dass dieses Wissen in der Gesellschaft ankommt, müssen Universitäten und Forschungseinrichtungen massiv in zielgruppengerechte Kommunikation investieren – mit Humor, Einfachheit und Klarheit.

Auch die interdisziplinäre Kommunikation innerhalb der Wissenschaft ist ein entscheidender Ansatz.“

Was können wir also konkret über den privaten Konsum hinaus tun?

„Ein großer Hebel liegt im Beruf. Die meisten Menschen verbringen dort den Großteil ihrer Zeit und können ihr berufliches Umfeld aktiv mitgestalten. Ein Architekturbüro kann sich zum Beispiel auf nachhaltiges Bauen spezialisieren – mit Recyclingstrategien, energieeffizienten Materialien und Partnern, die diesen Weg mitgehen. Lehrkräfte haben enormen Einfluss, indem sie in verschiedenen Fächern, von Geografie bis Deutsch, den Klimawandel thematisieren. Schulen können Städtepartnerschaften eingehen und nachhaltige Projekte mitgestalten.

Wenn wir also unsere Berufe nutzen, können wir zu Multiplikator:innen für systemischen Wandel werden. Klimaschutz braucht deshalb mehr als Technik. Es geht nicht darum, alles perfekt zu machen. Aber alles beginnt mit einer Diskussion, mit dem ersten Schritt.“

 

Was trägst du selbst zum Klimaschutz bei?

„Ich setze mich dafür ein, Klimaschutz als kollektive, systemische Aufgabe zu begreifen. In Vorträgen, Gesprächen und beruflichen Kontexten will ich Menschen dazu motivieren, Nachhaltigkeit in ihre Organisationen zu tragen – durch verantwortungsvolle Dienstleistungen, nachhaltige Produkte und die Beteiligung an branchenspezifischen Klimaallianzen, um klimafreundliche politische Regeln zu fordern. So kann Nachhaltigkeit zur Norm werden: zugänglich, günstiger, wirksam.

Mir geht es darum, Verantwortung zu teilen, statt zu individualisieren. Warum müssen Millionen Menschen täglich selbst herausfinden, was nachhaltig ist – anstatt dass klare Strukturen und Standards Orientierung geben? Klimaschutz braucht nicht Konsumentscheidungen, sondern neue Rahmenbedingungen.

Mein Beitrag: Systemisches Denken verbreiten und gesellschaftliche Voraussetzungen verändern – gemeinsam statt allein. Das klingt abstrakt, ist aber essenziell. Denn komplexe Probleme wie der Klimawandel erfordern mehr als individuelles Verhalten – sie brauchen strukturelle Veränderung. Außerdem bin ich beim Klimapuzzle aktiv und als Moderator halte ich regelmäßig Vorträge zu den Themen Klimawandel, Psychologie und Veränderung, was mir großen Spaß macht.“

Hannes, vielen Dank für das Gespräch.

Zur Person:

Hannes Breunig hat Psychologie in Innsbruck studiert und arbeitet während der Fertigstellung seiner Masterarbeit beim Karlsruher Transformationszentrum für Nachhaltigkeit und Kulturwandel (KAT) als Praktikant mit. Er unterstützt dort die verschiedenen Forschungsprojekte, indem er beispielsweise bei Veranstaltungen mitwirkt, bei Workshop-Vorbereitungen mithilft oder Texte Korrektur liest.  Zudem führt er Interviews mit Studierenden und Mitarbeitenden des Karlsruher Instituts für Technologie (KIT) , um herauszufinden, wie Lehrformate mit studentischer Beteiligung an der Hochschule  besser umsetzbar sind. Hannes möchte seinen Quereinstieg nutzen, um tiefere Einblicke in die Erfahrungen und Expertisen zu gewinnen und um sich zu vernetzen.

Seine Masterarbeit "The FOCA Model: Addressing Organisational Psychology's Oversight of Climate Change - Using a Mixed-Method Approach to Develop the Multi-Level Framework for Organizational Climate Action" ist derzeit noch nicht veröffentlicht.

Portrait von Hannes Breunig

Vorträge von Hannes Breunig:

  • „Grundlagen des Klimawandels und Bedeutung für ein mittelständisches Architekturbüro“
  • „From Technology to Transformation – Why ‘Net Zero’ Needs Psychology“
  • „Zwischen Egoismus und Altruismus – Der Mensch im Spannungsfeld“→ Angelehnt an Im Grunde gut, das Buch von Rutger Bregman
  • „Problemkind Kapitalismus – Die Kunst der Veränderung & von der Kunst zur Notwendigkeit“